· 

Natürliches Mineralfutter für Pferde – Wunschdenken statt Wissenschaft!?

Warum Kräuter unverzichtbar sind – aber ihre Rolle oft überschätzt wird

Viele Pferdebesitzer wünschen sich eine möglichst naturnahe Versorgung, frei von künstlichen Zusätzen. Die Idee, den Mineralstoffbedarf durch solche natürlichen Produkte zu decken, scheint verlockend – immerhin steckt doch „in der Natur alles drin“, oder?

Doch genau hier lohnt sich ein kritischer Blick. Was können diese sogenannten "natürlichen Mineralfutter" tatsächlich leisten? Reicht eine Handvoll Kräuter oder Algenpulver wirklich aus, um Mängel auszugleichen? Und wie viel steckt tatsächlich drin – oder bleibt vieles am Ende bloß Wunschdenken?

  

In diesem Artikel beleuchten wir, welche Rolle Kräuter & Co. wirklich in der Mineralstoffversorgung spielen, warum bestimmte Mängel im Grundfutter so häufig sind – und weshalb es fundierte Lösungen braucht, wenn es um die langfristige Gesundheit Ihres Pferdes geht.

 

„Natürlich füttern“ ist ein berechtigter Wunsch. „Natürliche Mineralfutter“, die oft aus Kräutern, Samen, Algenkalk und Seealgenmehl bestehen, gelten als sanfte Alternativen zu klassischen Ergänzungsfuttermitteln – doch können sie wirklich Mineralstoffmängel ausgleichen?

 

Heuanalysen bringen Klarheit

Heuanalysen aus Österreich und Deutschland zeigen ein eindeutiges Bild:

  • Calcium, Phosphor und Magnesium sind im Grundfutter meist in ausreichender oder sogar überhöhter Menge vorhanden. Ein Mangel an diesen Mengenelementen ist selten – im Gegenteil: Überschüsse, insbesondere bei Calcium, sind keine Ausnahme.
  • Ganz anders sieht es bei den Spurenelementen aus:
    • Kupfer und Zink decken im Heu häufig nicht einmal 50 % des Bedarfs
    • Selen ist oft gar nicht messbar oder nur in Spuren vorhanden
    • auch Jod zeigt oft deutliche Mängel
    • Diese Defizite sind keine Ausnahme, sondern der Regelfall!

Wer auf eine bedarfsgerechte Versorgung seines Pferdes Wert legt – sei es im Freizeitbereich, im Sport, im Muskelaufbau oder bei Stoffwechselbelastungen – kommt an einer gezielten Ergänzung dieser Spurenelemente nicht vorbei.

 

 

Kräuter und natürliche Ergänzungsfuttermittel leisten wertvolle Dienste und können unterstützend wirken, aber sie ersetzen keine gezielte Spurenelementversorgung, da sie schlicht und ergreifend nicht genug Spurenelemente enthalten, um die Defizite des Grundfutters auszugleichen.


Sekundäre Pflanzenstoffe – das wahre Potenzial der Kräuter

Kräuter sind nicht in erster Linie Mineralstofflieferanten. Ihr eigentlicher Wert liegt in ihrer Fülle an sekundären Pflanzenstoffen. Diese natürlichen Verbindungen übernehmen im Organismus eine Vielzahl von Aufgaben, die für die Gesundheit des Pferdes elementar sind. Hier einige Beispiele:

  • Flavonoide (z. B. in Hagebutten, Salbei, Brennnessel): Wirken antioxidativ, zellschützend und entzündungshemmend.
  • Gerbstoffe (z. B. in Brombeerblättern, Eichenrinde): Unterstützen die Darmschleimhaut, wirken adstringierend und helfen bei weichem Kot oder Kotwasser.
  • Saponine (z. B. in Süßholzwurzel): Schleimlösend, immunstimulierend, fördern die Resorption von Nährstoffen.
  • Ätherische Öle (z. B. in Thymian, Pfefferminze, Anis): Wirken antimikrobiell, krampflösend und verdauungsfördernd.
  • Bitterstoffe (z. B. in Löwenzahn, Artischocke): Regt Leber, Galle und Verdauung an, wichtig für die Stoffwechselaktivität.

 

Sekundäre Pflanzenstoffe beeinflussen die Darmflora positiv, stärken die Schleimhäute, fördern die Aufnahme von Nährstoffen und unterstützen körpereigene Regulationsmechanismen. Damit tragen sie indirekt zur besseren Verwertung von Mineralstoffen & Spurenelementen bei – aber sie selbst liefern keine ausreichenden Mengen davon.

Artenarmut im Heu: Warum Vielfalt heute fehlt

In der Natur würde ein Pferd mehrere Dutzend Pflanzenarten aufnehmen – Gräser, Kräuter, Blätter, Rindenbestandteile. Diese Vielfalt sorgt nicht nur für eine breitere Nährstoffbasis, sondern vor allem für ein vielfältiges Angebot an bioaktiven Substanzen.

Heute sieht das anders aus:

  • Moderne Wirtschaftswiesen bestehen meist aus Monokulturen oder wenigen Hochleistungssorten
  • Der Kräuteranteil ist durch Übernutzung, Düngung und Schnittregime drastisch reduziert
  • Das Heu enthält folglich kaum mehr sekundäre Pflanzenstoffe
Vielfalt füttern – Vielfalt fördern

Je abwechslungsreicher die Ernährung, desto artenreicher die Darmflora. Und je vielfältiger die Darmflora, desto stabiler das Immunsystem.

Eine vielfältige Fütterung trägt zur mikrobiellen Diversität im Darm bei. Und diese wiederum ist entscheidend für:

 

  • eine effiziente Verdauung
  • eine stabile Immunabwehr
  • eine bessere Verwertung von Mineralstoffen und Vitaminen

Ein Rechenbeispiel: Hanfsamen als Zinkquelle?

Hanfsamen gelten als nährstoffreich – insbesondere reich an Protein, Omega-3-Fettsäuren und Ballaststoffen. Auch Zink ist "reichlich" enthalten: Etwa 40-70 mg Zink pro kg Hanfsamen.

Bedarf eines 500-kg-Pferdes:

  • Zinkbedarf: 400–500 mg/Tag, je nach Belastung, Fellwechsel, Futterqualität und Haltung.

Rechnung:
Annahme: 50% des täglichen Zinkbedarfs werden über das Heu deckt.

Bleibt ein Restbedarf von 250 mg übrig.

250mg / durchschnittlich 55mg Zink aus Hanfsamen = 4,5 kg Hanfsamen pro Tag.

 

Eine solche Menge Hanfsamen zu füttern wäre utopisch! Das ist weder praktikabel noch sinnvoll. Abgesehen vom Preis wäre eine solche Menge ein extremer Eingriff in die Rationsstruktur – der Fett- und Proteingehalt wäre deutlich zu hoch, die Ration nicht mehr ausgeglichen.

 

Fazit: Auch nährstoffreiche Einzelfuttermittel wie Hanfsamen sind keine funktionalen Spurenelementlieferanten.


Algenkalk – viel Calcium, wenig Nutzen

Ein weiteres „natürliches Mineralfutter“ ist Algenkalk aus Meeresalgen. Er enthält:

  • Hauptsächlich Calcium – bis zu 30 %
  • Geringe Mengen Magnesium, fast keine Spurenelemente

Doch das Problem: Calcium ist in Heu und Gras in der Regel im Übermaß vorhanden. Ein Mangel an Calcium tritt in der Pferdefütterung äußerst selten auf. Im Gegenteil: Zu viel Calcium stört das empfindliche Verhältnis zu Phosphor und Magnesium und kann die Aufnahme von Zink, Kupfer und Mangan hemmen.

Auch hier zeigt sich: Algenkalk kann im Einzelfall Sinn machen (z. B. bei phosphorreicher Sportpferdefütterung, die viel  Getreide erhält), ist aber keineswegs ein universelles Mineralfutter.

 

Hinzu kommt: Die Fütterungsempfehlungen für Algenkalk liegen meist bei 10 g pro 100 kg Körpergewicht – also etwa 50 g für ein 500-kg-Pferd. Eine derart geringe Menge trägt bestenfalls zur Pufferung bei, aber nicht zur ausgewogenen Mineralstoffversorgung.

 

„Spurenelemente enthalten“ heißt nicht „in relevanten Mengen enthalten“

Die bloße Anwesenheit von Spurenelementen (z. B. Bor, Iod, Mangan, Zink, Eisen) in einem Naturstoff sagt nichts über deren Gehalt in der üblichen Fütterungsmenge aus.

 

Beispiel:
Ein Produkt kann Zink enthalten – aber wenn in 100 g nur 1–2 mg enthalten sind, dann liefert eine Tagesration von 50 g kaum 1 mg.
Der Tagesbedarf eines Pferdes an Zink liegt bei 400–500 mg!

 

Die Deklaration fehlt fast immer

Viele Anbieter von solchen Produkten für die Pferdefütterung geben keinerlei Analysewerte zu Spurenelementen an – was eine fundierte Berechnung unmöglich macht. Damit wird der Käufer im Unklaren gelassen, ob die Versorgung überhaupt nennenswert beeinflusst wird.

 

Calcium steht im Vordergrund – und davon gibt es ohnehin genug

Mit einem CaCO₃-Gehalt von über 70 % liefert Algenkalk extrem viel Calcium.
Und genau das ist das Hauptproblem:

 

  • Heu und Gras enthalten bereits sehr hohe Mengen an Calcium
  • Ein Zuviel an Calcium stört die Aufnahme von Zink, Kupfer, Mangan und Phosphor
  • Viele Pferde zeigen durch ein unausgewogenes Ca:P:Zn-Verhältnis langfristige Stoffwechselprobleme

Seealgenmehl – Ausnahme mit Augenmaß

Eine besondere Rolle unter den natürlichen Zusätzen nimmt Seealgenmehl (meist aus Ascophyllum nodosum) ein. Es enthält tatsächlich nennenswerte Mengen an:

  • Jod (zwischen 200–800 mg/kg, je nach Herkunft)
  • Geringe Mengen anderer Spurenelemente wie Zink, Eisen, Selen

Jod ist ein kritischer Nährstoff, da Jodmangel über Heu und Getreide kaum ausgeglichen werden kann. Seealgenmehl kann hier – richtig dosiert! – einen echten Beitrag leisten. Doch auch hier gilt:

  • Die Jodversorgung muss individuell angepasst werden (Bedarf eines 500-kg-Pferdes: ca. 2–3 mg/Tag)
  • Eine Überversorgung ist schädlich – Jod kann sich im Körper anreichern und zu Schilddrüsenproblemen führen.

 

Fazit: Seealgenmehl kann gezielt und in kleinen Mengen eingesetzt einen Jodmangel ausgleichen. Es ist kein umfassendes Mineralfutter – aber ein wertvoller Ergänzungsbaustein.


Tatsächlicher Nährstoffgehalt fraglich!

Viele Produkte werden als „Natürliches Mineralfutter“ vermarktet – vor allem, wenn sie reich an Kräutern, Samen oder Algenanteilen sind. Doch die Realität ist ernüchternd:

  • Die Fütterungsempfehlung liegt meist bei 10 g pro 100 kg Körpergewicht – also 50 g pro Tag für ein 500-kg-Pferd.

  • In dieser Dosierung lassen sich keine bedarfsgerechten Mengen an Spurenelementen wie Zink, Kupfer oder Selen erreichen.

  • Oft fehlen zudem jegliche Deklarationen über die tatsächlichen Gehalte an Spurenelementen. Viele Hersteller sogenannter „natürlicher Mineralfutter“ liefern keine Analysewerte mit – weder für Zink, noch für Kupfer, Selen oder andere Spurenelemente.

Damit ist es für Pferdebesitzer selbst mit Fachwissen unmöglich, den tatsächlichen Nährstoffgehalt zu berechnen oder zu beurteilen, ob ein Mangel behoben oder sogar eine Überversorgung riskiert wird.

 

Werden solche Produkte „auf Verdacht“ gegeben, bleibt die Wirkung im Dunkeln – im besten Fall wirkungslos, im schlimmsten Fall langfristig schädlich.


Was braucht Ihr Pferd wirklich?

Ein qualitativ hochwertiges Ergänzungsfuttermittel mit:

 

Ergänzt durch Kräuter, die gezielt auf Verdauung, Stoffwechsel oder Immunsystem wirken, ergibt sich eine synergetische Kombination:
Kräuter unterstützen die Verwertung – das Mineralfutter liefert, was wirklich fehlt.


Fazit: Kräuter sind unverzichtbar – aber sie ersetzen keine Mineralstoffe

Kräuter sind ein wertvoller Bestandteil einer natürlichen Fütterung. Sie liefern sekundäre Pflanzenstoffe, fördern das Wohlbefinden und die Nährstoffaufnahme. Doch sie sind keine tragenden Säulen der Mineralstoffversorgung.

 

Wer Mängel wirklich ausgleichen will, kommt an einem strukturierten, bedarfsdeckenden Ergänzungsfuttermittel nicht vorbei – individuell dosiert, wissenschaftlich fundiert und angepasst an den tatsächlichen Bedarf Ihres Pferdes.