Des Öfteren begegnen mir Menschen, die irgendwo gehört haben, dass Öle (Leinöl, Schwarzkümmelöl,...) vom Pferd aufgrund fehlender Gallenblase nicht verstoffwechselt werden können und unverdaut durch rutschen. Woher diese Behauptungen kommen war mir länger nicht klar. Nach einiger Recherche fand ich heraus, dass es sich wohl um die Vorträge und Schriften der Biologin Dr. Christina Fritz handelt, die sich ebenso wie viele andere kritisch mit dem Thema artgerechte Pferdefütterung auseinandersetzt.
Ihrer Ansicht nach ist das Verdauungssystem des Pferdes mit der Öl-/Fettverdauung gänzlich überfordert, zudem würde der Nahrungsbrei mit einem Fettfilm überzogen und verhindere so die Nährstoffaufnahme. Des Weiteren führt sie aus, dass Öl teilweise unverdaut aufgenommen würde und sich so das glänzende Fell erklären ließe.
Dem gegenüber stehen zahlreiche andere Biologen, Wissenschaftler, Tierärzte etc, wie Hans-Peter Karp (Agrarwissenschaftler, ehemals Gestütsleiter und Mitarbeiter des Pferdeschutzverbandes Baden-Württemberg, heute Produktmanager für Pferdefutter und tätig als Reiter, Züchter und Turnierrichter) und Ingolf Bender (beratender Biologe, Experte für hippologische Fragen, Besitzer einer privaten Forschungsstation), die diese Ansicht offensichtlich nicht teilen.
Pferde haben zwar keine Gallenblase, aber für diesen Umstand eine erstaunlich gute Fettverdauung. Evolutionär bedingt brauchen Pferde keine Gallenblase, die lediglich als Reservoir für die von der Leber produzierte Gallenflüssigkeit dient. Da Pferde Dauerfresser sind und die in der Nahrung enthaltenen Fette ständig durch den Verdauungstrakt wandern (In jeder Pflanze sind Fettsäuren oder Öle/Wachse enthalten, so auch in Heu, Gras und anderen Futtermitteln), ist es vollkommen ausreichend, dass die Leber kontinuierlich Gallensäure in den Darm abgibt. Pferde sind genauso wie wir Menschen und andere Tiere auf diese Fette/Fettsäuren angewiesen, um zum Beispiel fettlösliche Vitamine und deren Vorstufen aufspalten zu können und für die verschiedensten Stoffwechselvorgänge, insbesondere für den Lipidstoffwechsel. Eingelagerte Lipide schützen die Organe vor Kälte und stellen einen Energiespeicher dar, dessen Energie bei Bedarf durch Fettverbrennung wieder frei gesetzt wird. Fette gehören zu den drei Grundnährstoffen (Kohlehydrate, Fette, Proteine = Makronährstoffe) Ohne Fette/Fettsäuren würde der Organismus nicht existieren können. Auch nicht der eines Pferdes.
Wir Menschen benötigen die Gallenblase, da wir keine Dauerfresser sind und zudem Allesfresser. Unsere Nahrung ist wesentlich vielfältiger und eben nicht konstant im Fettgehalt. Deshalb haben wir eine Gallenblase und Pferde nicht.
Die GfE erörtert in ihrem Buch "Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden"(2014) das Thema Fette und belegt dies auch mit Studien.
Laut GfE ergeben sich Vorteile hinsichtlich des hohen Energiegehaltes und somit den Austausch von Stärke gegen Fett, um stärkebedingten Gesundheitsstörungen entgegen zu wirken und vorzubeugen, nervöse Pferde sollen ruhiger werden und der Absetzstress bei Fohlen reduziert. Zudem können mit Ölen/Fetten feinste Staubpartikel im Futter gebunden werden und die Belastung des Atmungstraktes wird reduziert. Weiterhin wird ausgeführt, dass zu hohe Fettmengen den Dünndarm unverdaut passieren und zu einer Störung der Dickdarmflora führen. Um dies zu vermeiden wird die Höchstmenge an Futterfetten nach einer entsprechenden Gewöhnungsphase mit 1g pro 1kg Lebendmasse pro Tag angegeben und soll auf mindestens drei Mahlzeiten verteilt werden. Das bedeutet ein 500kg schweres Pferd erhält 3 mal täglich 166g (entspricht ca. 3x 208ml = 624ml).
Abschließend wird angemerkt, dass Öle möglicherweise besser verträglich sind als unveränderte oder teilgehärtete Fette.
Weiterhin gebe ich zu bedenken, dass auch stärkereiche Futtermittel wie Hafer, Gerste,... einen recht hohen Ölgehalt aufweisen. Hafer zum Beispiel ist eines der ölreichsten Getreide (ca. 5 % Ölanteil). In einem Kilo Hafer stecken also schon 50g Öl. Wie können 50g Leinöl für das Pferd schädlich sein, aber 1kg Hafer, in dem etwa dieselbe Menge Haferöl steckt, gut?
Zudem sind alle mir bekannten Getreidesorten säurebildend. Im Gegensatz zu den meisten Pflanzenölen, die i.d.R. neutral wirken. Für viele Pferde ist dieser Umstand von zentraler Bedeutung, da sie durch fehlerhafte Fütterung und Haltung oft übersäuert sind und eine Fütterung säurebildender Futtermittel vermieden werden sollte.
Ich persönlich denke auch nicht, dass Fütterungsempfehlungen von 500g (ca. 624ml) Öl pro Tag gut für den Organismus des Pferdes sind und kann Frau Dr. Fritz zumindest in diesem Punkt voll und ganz zustimmen, wenn sie vor Leberschäden aufgrund zu hoher Ölgaben warnt.
Wie bei vielen anderen Dingen macht die Menge das Gift!
Tägliche Ölgaben bis 100ml halte ich für unbedenklich. (Je nach individueller Situation darf es auch schon einmal mehr sein.) Zudem kann man den Stoffwechsel und die Leber mit sekretionsfördernden und leberschützenden Kräutern unterstützen. Hier kommen zum Beispiel Ingwer, Mariendistel, Artischocke, Löwenzahn und/oder Curcuma zum Einsatz.
Zudem wird Pferden oft viel mehr Energie zugeführt als sie brauchen. Auch hier gehe ich mit ihr konform und behaupte auch, dass Pferde im Erhaltungsbedarf und bei leichter Arbeit zumindest, was die Energiebilanz betrifft, keine Kraftfutterzulagen benötigen.
Wer seinem Pferd mit Ölen dennoch etwas Gutes tun möchte, beispielsweise weil man auf Getreide verzichtet, aber einen Energieausgleich braucht, oder die positiven therapeutischen Eigenschaften des Schwarzkümmelöls nutzen möchte, sollte immer nur kaltgepresste Öle in bestmöglicher Qualität verwenden. Die Schleimstoffe (z.B. in Leinöl reichlich enthalten) sollten allerdings nicht herausgefiltert sein, so dass das Öl vollkommen klar ist, wie wir es im Lebensmittelgeschäft zu kaufen bekommen. Die Schleimstoffe sorgen nämlich für ein besseres Darmmilieu, wirken entzündungshemmend und können Verstopfungen vorbeugen. Medikamente sollten allerdings nicht zusammen mit schleimstoffhaltigen Ölen verfüttert werden, da diese bei reichlicher Ölfütterung eingehüllt werden können und sich entsprechend ihre Wirkung verringern kann. Zwischen Medikamentengabe und der Fütterung schleimstoffhaltiger Öle sollten etwa 2 Stunden liegen.
Wer sein Pferd artgerecht füttern will, muss zwangsläufig Kompromisse eingehen, da wir unseren Pferden in den seltensten Fällen hektar-große Weideflächen mit Bäumen, Sträuchern, Wurzeln, Samen, Wildgemüse,... bieten können. Wie dieser Kompromiss aussieht, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Fakt ist, sein Pferd artgerecht zu füttern ist nicht leicht, mit viel Recherchearbeit verbunden und ein Mindestmaß an Grundwissen über den Stoffwechsel und die natürliche Nahrung von Pferden sollte vorhanden sein. Weiterhin darf man auch nicht immer alles glauben, was einem Bücher oder Futtermittelhersteller erzählen.
Artgerechte Fütterung setzt immer logisches und differenziertes Denken voraus. Längst nicht alle Vorgänge im Organismus des Pferdes sind erforscht und auch die Bedeutung der pflanzlichen Nahrung
wird vielfach unterschätzt. Vor allem die Langzeitwirkungen synthetischer Zusatzstoffe sind nicht erforscht und Krankheiten werden nur selten mit diesen in Verbindung gebracht, sei es aus
Unkenntnis und /oder Desinteresse oder dem blinden Glauben an die
Futtermittelhersteller.
Weitere Ausführungen: Leinöl richtig füttern
Quellen und Buchempfehlungen:
http://www.wanashelp.at/download/36-39_Futtervortrag-Fritz_KAP.pdf
Hans-Peter Karp "Gesunde Pferdefütterung"
Ingolf Bender, Tina Maria Ritter "Praxishandbuch Pferdegesundheit"
Ingolf Beder, Tina Maria Ritter "Futter-Lexikon Pferde"
Kaja Kreiselmeier "Pferde gesund und vital durch Heilkräuter"
Cornelia Wittek "Von Apfelessig bis Teebaumöl"
Siegrid Hirsch & Felix Grünberger "Die Kräuter in meinem Garten"
Meyer, Coenen, Vervuert "Pferdefütterung" (2014)
Dr. Christina Fritz "Pferde fit füttern"
GfE "Empehlungen zur Energie- und Nährtoffversorgung von Pferden" (2014)